Kleinanleger gegen Hedgefonds – #SocialMediaGrantler on Steroids laufen Amok?

Was hat es auf sich mit dem Tumult in der Finanzwelt, Kleinanleger gegen Hedge Fonds, Robinhood, Reddit und so weiter? Ein (Selbst-?)Erklärungsversuch nicht nur für Uneingeweihte.

Begriffe

Ganz kurz der Versuch einer Begriffserklärung, weil das wirklich „etwas“ komplex ist:

  • Robinhood.com ist eine Handels-Platform für Aktien und Börse-Produkte, die Firma selbst listet: „Stocks & Funds, Options, Gold, Cash Management, Crypto“. Das Besondere an Robinhood sind die sehr niedrigen (Depot-,/Management-/Verkaufs-)Gebühren, ergo der Name, denn die Plattform will/ (wollte?) jedem das Handeln an der Börse günstigst ermöglichen.
  • Reddit.com ist im Prinzip ein „Social“(Media)-Internetforum, wenn auch eines der design-technisch hässlichsten, wie ich finde. Selbst bezeichnet sich die Firma als „the front page of the internet“. Vor allem in den USA lieben User die Plattform und machen mit 1,74 Milliarden Aufrufen (und knapp 48 Millionen „Unique Users“) im Dezember 2020 die Site zur 5-6-größten SM-Plattform im US-Internet. (SM nicht zu verwechseln mit S&M, oder doch?)
  • Hedge Fonds sind Firmen die mit Geld, Geld machen, indem Sie häufig/meistens (eigentlich fast immer) auf Dinge wetten (Tarnwort: „investieren“). Nicht selten bewegen Sie sich mit solchen Wett-Konstrukten am Rande der (Finanz-)“Legalität“, aber im Prinzip ist das wurscht‘, weil nur eine übersichtliche Anzahl an Leute (und Firmen(-geflechten)?) die Fäden ziehen und keiner sich da im Detail einmischen möchte – vermeintlich reiche Zocker bleiben quasi unter sich und keiner traut sich den Stecker zu ziehen, weil die Verflechtungen auch die Real-Wirtschaft (zer-)stören könnten, siehe Wirtschaftskrise 2007/2008. Hedge Fonds investieren zum Beispiel (Wett-)Geld auf den Niedergang von Firmen, aber auch Wetten positiver Art gibt es und solche, die sich gegenseitig „(aus-)“hebeln“ können. Solche Negativ-Wetten (also auf fallende Kurse wettend) sind oftmals zeitlich limitiert Wetten, die heißen dann „Shorts“- und die Finanzwelt findet sie als regulatives Instrument auch sehr sinnvoll, an die Sozial-Ethik denkt dabei allerdings gefühlt niemand – so zumindest mein Verständnis. Mit solchen Finanzprodukten werden Gelder auf breiter Front eingesammelt (oftmals werden auch beide Seiten abgedeckt, dann ist das Risiko des Totalverlustes – v.a. auch für die HedgeFonds – überschaubar) und solche Shorts bieten auch Absicherungen, u.a. dagegen, dass (v.a. an der Börse notierte) Firmen generell Pleite gehen. Wobei die Hedgefonds immer brav darauf achten, dass sie eben beide Seite (wenn möglich) kontrollieren bzw. solche Wetten auch in Ihrem Sinne „reguliert“ werden. Oftmals missbrauchen HedgeFonds aber auch diese „Marktmacht“ und wetten bewußt gegen ein Firma mit der relativ großen Wahrscheinlichkeit, dass andere, „normale“ Fonds dann von einem Investment in eben diese „bewettete“ Firma abspringen und sich die vermeintlich prophezeite Pleite dann tatsächlich manifestiert, weil die Firma zum Beispiel konkret auch keine günstigen Kredite mehr erhält – weil ja alle „abspringen“ und die Bank, die selbst brav HedgeFonds füttert, dann sagt, sorry, da machen wir nicht mehr mit, das Risiko ist viel zu groß…
  • (Internet-)Trolle sind (meistens) Menschen die sich zusammenfinden um zu trollen, wenn Ihnen was nicht passt, so etwas wie Grantler (also quasi wie ich), aber irgendwie in „Sozialen“ Medien geselliger, quasi Social(Media) Grantler on Steroids. Meistens nerven solche Trolle bei (mehr oder weniger) konstruktiven Diskussionen im Internet, aber manchmal verabreden sie sich auch in einer Art Troll-Schwarm (aka #TrollFlashMob?) um etwas zu bewegen – wohin auch immer.

Robin Hood wird plötzlich böse und macht Hedge Fonds glücklich?

Solche #SocialMediaGrantler, äh Trolle, haben sich nun in den vergangenen Wochen in einem #TrollFlashMob dazu verabredet, gegen Hedge Fonds mal etwas zu unternehmen. Dazu nutzten Sie vor allem das zuvor genannte Internetforum Reddit (ggf. weil die Plattform so hässlich und unübersichtlich ist, wie ansonsten nur HedgeFonds-Konstrukte, aber das ist nur meine persönliche Meinung;)…

Diese Trolle, darunter viele Kleininvestoren, kauften nun in Massen sogenannte Junk-Aktien (Firmen die vermeintlich Pleite gehen), meistens über Robinhood. Vor allem Firmen die diese Trolle aus verschiedensten Gründen sympathisch fanden weil Sie sie auch aus dem privaten Konsumverhalten kannten (z.B. die Spieleshop-Kette Gamestop, die US-Kinokette AMC, aber auch BlackBerry, Nokia und andere…) und im speziellen kauften sie Firmenaktien, auf dessen Niedergang HedgeFonds gewettet haben. Die Rache der Kleinanleger quasi als eine Art Racheantwort unter anderem auf Banken-/Finanzkrise 2007/2008.

Umso höher nun aber der Aktienkurs dieser vermeintlichen Pleite-Firmen steigt, desto gefährlicher wird eine Wette gegen deren Misserfolg, vor allem kurzfristige Wetten / Shorts (mit limitiertem Enddatum) werden zu einem extremen Risiko, da solche Shorts immer eine (Investoren-)Seite verlieren lassen und zwar im Worst Case nicht nur zu 100%, sondern mehreren hundert Prozenten. Vereinfacht gesagt, wettet man wie beim Roulette entweder auf Rot oder Grün, allerdings kann man auf z.B. das Fünffache wetten obwohl man initial aber nur z.B. einfach investiert hat. Der Gewinn oder eben auch Verlust entspricht dann – in diesem Beispiel – dem fünffachen Einsatz.

Also, mal ganz konkret: Man investiert 1 Euro, kann aber 5 gewinnen, und die „Gegenseite“ investiert auch 1 Euro, mit der Hoffnung 5 zu gewinnen. Wenn der Termin nun erreicht ist, muss einen Seite 5 Euro zahlen, so lautet die Regel/Regulierung/Zockerverabredung. Der Hacken ist, dass man initial nur 1 Euro tatsächlich investiert hat und die Zahlung erst am „Short“-Termin fällig wird, außer man möchte die Verluste beschränken und versucht zuvor (ggf. sogar teuerer) auszusteigen.

Manche Hedge-Fonds haben es nun wohl nicht mehr geschafft rechtzeitig aus den Wetten auszusteigen und haben wohl tatsächlich Milliarden verloren, da Sie am Termin X zahlen mussten – wobei selbst dieses „zahlen“ theoretisch ist, da auch solche (Hedge)Fondsgesellschaften Pleite gehen können und na ja, wer dann zahlt, ist ja bekannt, die Allgemeinheit.

Wie auch immer, Reddit-User zockten also auf Robinhood.com, macht Hedge Fonds fertig und nun spricht gefühlt ein Drittel der Finanzwelt davon, was gemacht werden muss um diesem wilden Mob Einhalt zu gebieten, aka Regulierung. Dabei sind sie der initiale Mob, denen ein anderer wilder Mob nun erstmal den Marsch geblasen hat.

Crazy Times once again.